Lektorenrundbrief
Nr. 21 - Juli 2003

Inhalt

Editorial

Artikel:
Ereignisreiche Tage in Tokyo
Eindrücke eines "Koreaners"
Deutschland in Japan 2005/2006

Buchbesprechung:
Buchbesprechung: Die Rückkehr des K�rpers

Termine und Hinweise
Kurz informiert
Termine

die Redaktion

 

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

mit der vorliegenden Ausgabe ist uns nach einigen vergeblichen Versuchen nun doch eine Art "Themenheft" gelungen. Und zwar geht es um das bereits auf dem Lektorentreffen Ende Mai angesprochene Deutschlandjahr in Japan, das von April 2005 bis März 2006 stattfinden wird: Eine gemeinsame Aktion von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, um Deutschland in Japan zu präsentieren und sein leicht angestaubtes Image aufzupolieren. Man folgt damit dem französischen und italienischen Vorbild, deren Frankreich- bzw. Italienjahr breite Resonanz gefunden haben.

Unter dem Ehrenvorsitz von Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker, Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt und Bundesminster a. D. Otto Graf Lambsdorff sind zahlreiche Veranstaltungen geplant: bereits für März 2005 die Eröffnung der Ausstellung "Berliner Museumsinsel" im Nationalmuseum in Ueno und viele weitere Kunst-Ausstellungen; Gastspiele renommierter musikalischer Ensembles sowie japanische Uraufführungen neuerer deutscher Musik (Hindemith); das Goethe-Institut Inter Nationes plant Festivals (Tanz-, Theater-, Open-Air- und Film-) sowie Licht- und Klang-Installationen im öffentlichen Raum und vieles mehr.

Hört sich ganz so an, als ob das nur für den Tokyoter Raum interessant wäre. Inwieweit das Deutschlandjahr auch in etwas entlegenere Winkel ausstrahlt, hängt dabei nicht unwesentlich von unserem eigenen Engagement ab. Die Voraussetzungen sind auf jeden Fall sehr günstig. Finanzielle Mittel stehen nicht nur für Großveranstaltungen zur Verfügung, sondern laut Botschaft auch für die "Schaffung nachhaltiger Bindungen und Anregung längerfristig angelegter Austausch- und Verständigungsprozesse", wozu auch die "Förderung des Interesses vor allem junger Japaner an Deutschland als Reiseland, als Partner für Austauschprogramme, und als Studien- bzw. Wissenschaftsstandort" sowie "Erhaltung / Förderung des Interesses an der deutschen Sprache" gehört - mit dem DAAD als Ansprechpartner im akademischen Bereich.

Das Deutschlandjahr in Japan ist somit für alle Lektoren und Lektorinnen eine einzigartige Möglichkeit, vor Ort für Deutsch als Fremdsprache und Germanistik zu werben, indem wir Veranstaltungen organisieren und das Thema im Unterricht. behandeln. Es wird dabei für jeden Einzelnen um so einfacher, je mehr Lektoren und Lektorinnen zur Mitarbeit bereit sind und an der Ausarbeitung mitwirken. Erste Vorschläge finden Sie in dieser Ausgabe.

In diesem Sinne wünschen wir allen viel Vergüngen bei der Lektüre und einen schönen Sommer, die Redaktion

 

 

 

Ereignisreiche Tage in Tokyo

Freitag, 30. Mai 2003

Gakkai - Zeit zum Marathontreffen der Germanisten und am Tag zuvor der Lektoren, dieses Mal an der Musashi-Universität, von Ikebukuro aus angenehm schnell zu erreichen. Zum großen Lektorentreffen kamen über 50 Kolleginnen und Kollegen, darunter einige neue Gesichter und Gäste. Die viel zu engen ichinensei-Sitze galt es auszuhalten, was nicht so schwer fiel bei Klimaanlage und interessanter Themenvielfalt. Herr Lins, Chef des DAAD-Büros Tokyo, und Mechthild Duppel-Takayama warteten als Gastgeber auch gleich mit einer erfreulichen Neuigkeit auf: Demnächst soll es ein neues "Semesterstipendium" für Studierende geben, das die Lücke zwischen ein- bis zweimonatigem Sommerstipendium und Jahres- bzw. Zweijahresstipendium schließen wird. Hier also gilt für unsereins: Ohren aufhalten und Informationen an Interessierte weiterleiten! Weniger erfreulich waren die Meldungen von der Leere in staatlichen und Sponsorenfonds für das Deutschlandjahr in Japan, das von Mitte 2005 bis Mitte 2006 stattfinden wird. So meinte Herr Lins: Nun sei es an der japanischen Wirtschaft, "Verbundenheit" zu zeigen. Hoffentlich wird es da nicht heißen: "Falsch verbunden!", aber offensichtlich steht es mit der Förderbereitschaft nicht so schlecht. Auch wir als Lektoren sind natürlich bei der Gestaltung dieses Großereignisses gefragt. Auf dem Treffen wurde bereits über Ideen gesprochen. Dabei geht es weniger um Kunst-Großausstellungen an einzelnen Orten, Philharmoniker-Besuche, Messen oder Kaufhaus-Fresswochen. Vor allem Lektoren abseits der großen Ballungszentren fragen sich, wie man eine den finanziellen und zeitlichen Kräften angemessene, aber wirksame Veranstaltung anbieten und ggf. auch die einschlägigen Organisationen (DAAD, Goethe- Institut Inter Nationes, Botschaft und Generalkonsulate) um Unterstützung angehen könnte. Hier lässt sich durch überregionale Zusammenarbeit sicherlich mehr erreichen. In diesem Lektoren-Rundbrief finden Sie ab S. 5 einige Ideen aus unserem Kreis. Bei Interesse an einer Mitarbeit bitten wir Sie, mit den Ansprechpartnern Kontakt aufzunehmen.

Der nächste Punkt, der sich meinem Gedächtnis eingegraben hat, war Oliver Mayers praktische Demonstration des LUK-Lernsystems für DaF, das er ja bereits im letzten Lektoren-Rundbrief vorgestellt hatte. Was soll ich sagen - es funktioniert und ist besonders für den eher haptischen Lernertyp eine Bereicherung des Unterrichts.

Ein eher seltener, aber umso interessanterer Gast war Prof. Thies Thiemann von der Uni Kyushu, seines Zeichens Chemiker. Er berichtete aus der Perspektive seines Fachs von den aktuellen Reformansätzen an japanischen Unis, denen wie üblich bombastische Zielformulierungen der Oberbehörde beigegeben sind - z. B. "50% aller Lehrveranstaltungen in englischer Sprache" an meiner eigenen Universität. Bei den Realisierungschancen war der Referent skeptisch, erwartete aber eine Stärkung der Universitätspräsidenten gegenüber den Fakultäten - ob das eine eher günstige oder ungünstige Entwicklung sei, da waren die Anwesenden geteilter Meinung.

Aus Korea besuchte uns Kollege Klaus Polap, der unter dramatischen Bedingungen angereist war und deshalb die Notizen zu seinem historisch-politischen Vortrag eingebüßt hatte. So musste bzw. konnte er ganz locker von Faszinierendem aus unserem Nachbarland berichten, etwa von Studenten-Demonstrationen für mehr Deutsch- und weniger Englischunterricht (!) aus Verbitterung über den als militaristisch empfundenen Kurs der US-Regierung. Eine interessante Anregung auch für unser Deutschlandjahr in Japan könnte der in Korea unter dem Motto "Bratwurst, Bier und Beckenbauer" durchgeführte Aufsatzwettbewerb sein, dessen 57 Teilnehmer mit Preisen von Firmen und Institutionen geradezu überhäuft wurden. Im Rundbrief (unter http://www.lvk-info.org/index.html) der als eigenständiger Verein organisierten Lektorenvereinigung Korea kann man alles über diesen Wettbewerb nachlesen.

Nach einer Pause bei heißem Kaffee und dünnen Kuchenschnitten stellte sich der neue Leiter der Pädagogischen Verbindungsarbeit des Goethe-Instituts Tokyo, Dr. Rainer Buhtz, vor. Es hatte zuvor immer wieder in den Kulissen rumort, weil in den letzten Jahren doch manche an dieser Stelle geborene Idee nicht zum Zünden gekommen war. Mir persönlich gefiel die unaufgeregte, sachorientierte Art des Referenten, in der er seine Initiativen vorstellte: So will er sich für eine bessere Vernetzung der DaF-Ressourcen bzw. der Spezialisten in Japan einsetzen, und es gibt einen neuen Newsletter, den man über die Homepage des GI Tokyo (http://www.goethe.de/os/tok/deindex.htm) bestellen kann. Sehr nett kam auch ein kleiner deutsch-japanischer Fußballkalender daher, der als Brücke zwischen den Weltmeisterschaftsländern 2002 und 2006 gedacht sein soll. Hiervon kann man ganze Klassensätze kostenlos bekommen, und zwar bei Herrn Buhtz' Mitarbeiterin Frau Maruyama. Als Bildungsangebot besonders für Japaner, die nicht irgendwo an einer regulären Deutschklasse teilnehmen können, stellte Herr Buhtz den neuen Anfängersprachkurs "Redaktion D" vor, zu dem neben Hardware auch Onlinematerialien und die Betreuung durch einen Tutor per Email gehört. Die Einschreibgebühr von 398 € sollte man als Lernwilliger aber erst locker machen, nachdem man sich bei http://www.redaktion-D.de gründlich informiert hat, und wenn man Porsche fahrende Reporter auf der Jagd nach Hui Buh im Schloss Neuschwanstein für lernfördernd hält. Technisch ausgefeilt, wie der Kurs ist, wird er rund um den Globus sicher seine Liebhaber finden. Und so klang der Lektorentag aus, für manche dann noch bei Mabo-nasu, Gyoza und Flaschenbier in einem kleinen Chinesen in den hinteren Gefilden des Kabuki-cho.

Sonnabend, 31. Mai 2003

Der große Tag - die eigentliche Gakkai. Für viele von uns begann sie vormittags mit einer kurzen Lesung von Durs Grünbein, der sich vorstellte als ein Vogel, der zu Ornithologen spricht... Und wie er sprach oder besser: sang, dieser Vogel! 20 Minuten waren sicher viel zu kurz für seine bildstarken Gedichte, die nur einen winzigen Ausschnitt aus Grünbeins weit gespanntem Oeuvre darstellten. Der nächste Vogel, Prof. Gerd Mattenklott aus Berlin, sang schon etwas mehr in Dur, aber stellenweise für meine Ohren auch etwas krächzend, als er den "Gesang der Sirenen" als "einen Beitrag zur Anthropologie der Sinne" vorstellte - eine Art Parforceritt durch die halbe griechische Antike und manches darauf Folgende, den ich durch einen entschlossenen Sprint zur Seitentür erheblich abkürzte. Am Nachmittag wie üblich Vorträge in Sektionen, darunter auch einige auf Deutsch. Wie froh ich doch bin, kein aufstrebender junger deutscher Literaturwissenschaftler in Japan zu sein, denn sonst würde sie irgendwann sicher auch mich einmal treffen, die ebenso regelmäßige wie zutreffende, dazu wohl formulierte, freundlich vorgetragene Kritik eines bekannten deutschen dai-sempai, der immer sofort erkennt, wo der Hase im Pfeffer liegt ... Am Abend dann wieder unterwegs in einer immer kleiner werdenden Gruppe im unbekannten Ikebukuro - wir letzten zwei konnten gerade noch dem Massage-Angebot der jungen Dame mit Zahnlücke und Schlabberhosen auf der Straße widerstehen und fielen bleischwer ins Bett.

Sonntag, 1. Juni 2003

Der Sonntag stand ganz im Zeichen des DAAD, der zur großen Feier anlässlich des 25. Geburtstages seines Tokyoter Büros geladen hatte. Ein großer Saal war prall gefüllt mit Honoratioren, die als ehemalige Stipendiaten aus verschiedensten Fachgebieten eine Art fleischgewordene Leistungsschau des DAAD Tokyo verkörperten, sowie einigen vertrauten Gesichtern aus der Lektorenprovinz, die wie ich irgendwie doch eine Einladung ergattert hatten. Man lauschte ab 15.00 Uhr zunächst Trompetenschall und Paukenklang. Wussten Sie denn, dass es eine eigene "DAAD-Fanfare" gibt, von einem Japaner vor ein paar Jahren komponiert?

Die Rede des DAAD-Präsidenten Prof. Theodor Berchem traf auf große Anerkennung auch bei meinem ansonsten eher kritischen Sitznachbarn, der aus Aachen stammt: "Der kommt ja wohl aus Kölle!". Prof. Berchem berichtete von Uberlegungen seitens des DAAD, wie man junge Japaner auch weiterhin zu Deutschlandstudien motivieren könnte. Als neue Projekte sind im Gespräch: Sommerschulen (einige Wochen Hochschulkurs und Kultur), mehr Aktivitäten für Postgraduierte und Ausbau der Förderung von Unipartnerschaften.

Nach weiteren Reden und einer Podiumsdiskussion, der man anmerkte, dass diese Kommunikationsform nicht von Japanern für Japaner erfunden worden ist, kam es zum feierlichen Höhepunkt: der Verleihung des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Preises 2003 an den Goethe-Forscher Prof. Naoji Kimura. In dessen Dankeswort "Lob der Goethephilologie. Unzeitgemäße Betrachtungen über die Germanistik" klang eine ganze Menge Trotz an angesichts des oft antizipierten oder postulierten Endes der klassischen Germanistik. Hier wurde noch einmal ein würdiger Vertreter der "alten" Germanistik geehrt - wird der nächste japanische Empfänger in zehn oder 15 Jahren vielleicht schon kein klassischer Literatur- oder Sprachwissenschaftler mehr sein? In seiner Laudatio lobte Prof. Mattenklott den Preisträger jedenfalls für seine Nichtzuwendung zu "hybriden und bornierten Unternehmungen wie DaF" - ihm scheint dabei völlig entgangen zu sein, dass der Gepriesene seit seiner Emeritierung in Regensburg tätig ist - und zwar als Lektor für Japanisch (als Fremdsprache)! Welch ein Eigentor. Empörung konnte aber gar nicht so recht aufkommen, weil die Gastgeber uns schließlich üppig zu bewirten begannen mit deutschen Speisen, herbem Pils vom Fass und lieblichem Wein. Es entwickelte sich eine wirklich nette Atmosphäre, welcher die Kellner des Restaurants "Kreisel" erst kurz vor elf ein Ende machten, indem sie die letzten Plauderwilligen mit landesüblich robuster Höflichkeit aus dem Innenhof hinauskomplimentierten. Eine gelungene Veranstaltung - und was machen wir zum 30. Geburtstag des DAAD?

T.W.

 

Brief aus Korea

 

Eindrücke eines "Koreaners"

Eindrücke aus Japan und vom Lektorentreffen in Tokyo. Wo soll man da anfangen ... Für mich, der ich zum ersten Mal in Japan war, bedeutete das so viel Neues, dass ich es gar nicht so leicht auseinander halten kann. Einige Dinge trafen mich völlig unvorbereitet, was sich nur aus dem Kontrast zu Korea erklärt, diesem Land, von dem Koreaner und Japaner sagen, dass es Japan so ähnlich sei. Nun ja, eigentlich nicht.

Zum einen waren da die Fahrräder - ein Vehikel so gänzlich unbekannt bei uns in Seoul. Auf dem Land soll es ein paar Exemplare geben. Dann das Hotelzimmer, von dem ich überzeugt war, dass es das kleinste der Welt sei, bis mir von Lektoren glaubhaft versichert wurde, es gäbe noch kleinere. Nun konnte man all das schon vorher wissen und sich darauf einstellen, auch wenn man es noch nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Worauf ich jedoch völlig unvorbereitet stieß, waren die japanischen Komforttoiletten. Diese Komfortklosetts ließen mich staunen. Die vielen bunten Knöpfe, die eigentlich nicht funktionieren. Dass sich der Mechanismus nur bei leichtem Druck auf die Brille in Gang setzt, merkte ich erst mit nassem Hemd. Und diese Woche fand ich eine Bemerkung des deutschen Fußballnationalspielers Bernd Schneider, der obiges Utensil bei sich zu Hause hat: "Ich rühre die bunten Knöpfe lieber nicht an. Wer weiß, was da alles passiert" (Waldemar Hartmann: Menschen, Tore, Sensationen. Freiburg 2002).

Weshalb verweile ich so lange bei diesem Komfortklosett? Einfach, weil man mit diesem Bild den Zustand der Lektorenschaft in Japan gut beschreiben könnte, jedenfalls, sofern ich den Gesprächen und Diskussionen entnehmen konnte. Der Vergleich ist im Ubrigen gar nicht abwertend gemeint, sondern so: Es erschien mir, als säße man auf dem DAAD-WC sehr gefällig. Selbst etwas zu organisieren schien nicht so gefragt, oder sollte man sagen: nicht so notwendig. Man kommt zu den Treffen, isst sein Lunchpaket, und wenn man Glück hat, war auf der Tagesordnung etwas, das einen interessierte (was bei mir übrigens der Fall war). Tatsächlich beklagten sich mir gegenüber aber dann doch einige beim Bier über die Bedient-mich-mal-Mentalität. Ein Grund dafür scheinen die geradezu paradiesischen Verhältnisse zu sein.

Wir "Koreaner" gründeten unsere Vereinigung ja auch deshalb, um Arbeits- und Gehaltsbedingungen zu verbessern. Über die Arbeitsbedingungen in Japan weiß ich natürlich nichts zu sagen. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass Ahnlichkeiten bei einzelnen Problemen und auch bei der Frage der Lehrmethoden vorhanden sind. Paradiesisch scheinen jedoch die finanziellen Belange zu sein. Eine kurze Umfrage meinerseits bei einigen Freunden (Brasilien, Neuseeland und Ungarn) ergab, dass Lektoren vermutlich nirgendwo sonst mehr verdienen als der professorale Lehrkörper. Dass Japaner mehr verdienen und auch höhere Kosten haben als andere, ist ja sowieso klar.

Da wir also durchaus unsere Probleme hatten und haben in Korea, lag die Idee einer Vertretung unserer Interessen nahe. Dass diese Initiative nicht vom DAAD ausgehen konnte, war evident, denn der hat ja diese Probleme nicht. Zugegebenermaßen haben wir auch weniger logistische Probleme, was mich ebenfalls erstaunte. Die LVK trifft sich normalerweise in vom Goethe-Institut bereitgestellten Räumen. Dass man sich in Japan in einer Universität trifft, hat mich überrascht. Noch etwas anderes sei hier am Ende meiner feuilletonistischen Aussagen vermerkt, was mich richtig neidisch machte: Die Japanischkenntnisse der Lektoren. Wer kann von unseren Lektoren schon Koreanisch? Die sind an einer Hand abzuzählen. Dieses Phänomen wäre eine eigene Untersuchung wert. Jedenfalls hat es mich bewogen, bei meiner Universität ein Programm anzuregen.

Vieles blieb hier aus Platzgründen unerwähnt. Ich hoffe, man nimmt mir meinen Vergleich nicht allzu übel, denn er war nicht böse gemeint, sondern als Anregung, eine LVJ zu gründen. Einiges wäre im Verbund leichter. Es hat mir ausgesprochen gut gefallen. Danke Mechthild, Till et al., ich hatte zwei richtig gute Tage bei Euch.

Klaus Polap

 

Deutschland in Japan 2006/2006

 

Vorschlag: Aufsatzwettbewerb

Zu den bisher geplanten Projekten gehört auch ein Aufsatzwettbewerb, der für Japaner (und eventuell umgekehrt auch für Deutsche) veranstaltet werden soll und in dem sich die Teilnehmenden schriftlich mit dem fremden Land auseinander setzen; in Korea hat es unlängst einen solchen Wettbewerb gegeben, der sehr erfolgreich verlief und auch von der Wirtschaft tatkräftig unterstützt wurde.

Die Träger des Wettbewerbs sind nach bisherigem Stand die Deutsch-Japanischen Gesellschaften unter Federführung ihres Generalsekretärs Thilo Graf Brockdorff und einige Japanisch-Deutsche Gesellschaften. Von dieser Seite werden auch geeignete Sachpreise eingeworben. Auch der DAAD signalisierte Bereitschaft zu Beratung und Mithilfe. Der Wettbewerb soll sich sowohl an jüngere Japaner (auf jeden Fall viele Studenten, vielleicht sogar Schüler) als auch an ältere shakaijin mit Deutschland-Interesse wenden und in mehreren Altersklassen mit jeweils angemessener Themenstellung und eigenen Preisen durchgeführt werden.

Warum ist dieses Projekt eigentlich interessant für uns deutsche Hochschullehrer in Japan? - Unsere Studenten nehmen oft und gern an Dokken-Prüfungen, Redewettbewerben usw. teil - warum nicht auch einmal an einem Schreibwettbewerb? Der Wettbewerb sollte so geplant sein, dass er sich auch in den Unterricht an der Uni integrieren lässt, etwa durch Bereitstellung von Materialien, mit dem eine Unterrichtsreihe "Schreibwerkstatt" oder "Deutschlandbild(er)" durchgeführt werden kann, an deren Ende als Leistungen der einzelnen Teilnehmer Aufsätze stehen, die zum Wettbewerb eingereicht werden können. In Korea gab es übrigens mehr Preise als Teilnehmer und vielleicht wird sich auch in Japan für viele die Teilnahme lohnen und einen Anreiz für die weitere Beschäftigung mit Deutschland bieten.

Allerdings bedarf es bis zur Durchführung des Wettbewerbs im 2. Halbjahr 2004 noch mancher Vorarbeit. Die Themen müssen entworfen und das didaktische Begleitkonzept ausgearbeitet werden, natürlich von den Fachleuten auf dem Gebiet, nämlich den deutschsprachigen Hochschullehrern in Japan. So möchte ich gern eine kleine Gruppe von Lektorenkolleginnen und -kollegen "elektronisch" versammeln, die sich gemeinsam und in Abstimmung mit den DJGs und JDGs Gedanken macht und aus der später der Kern einer Jury hervorgehen könnte. Bei Interesse lassen Sie mir bitte eine Mail an [email protected] oder einen Anruf oder ein Fax, beides an 098-877 4441, zukommen, damit wir ab Herbst als kleine Gruppe unseren Gedankenaustausch intensiv pflegen können.

Till Weber

 

 

Ergänzender Vorschlag zum Aufsatzwettbewerb:
"Eine Entdeckungsreise ins deutschsprachige Internet"

Ein "Deutschlandjahr in Japan" - als erstes stößt die unglückliche Formulierung auf. Warum heißt es nicht "deutsches Jahr" oder "Jahr der deutschen Sprache"? Aus Sicht des Deutschunterrichts wäre die Einbeziehung der anderen deutschsprachigen Länder wünschenswert gewesen. Als zweites kommt der Gedanke, einen wie auch immer gearteten Wettbewerb mit der Vergabe von Preisen auszuschreiben. Dabei haben wir es mit einem nach Alter, Deutschkenntnissen, Motivationslage, Deutschlanderfahrung usw. sehr heterogenem Adressatenkreis zu tun:

Mit einem "Aufsatzwettbewerb", wie ihn Till Weber darstellt, können wir die drei zuletzt genannten Gruppen erreichen. Anfänger werden mit einer Schreibaufgabe jedoch sehr wenig bzw. nichts anfangen können. Wir sollten daher stärker differenzieren und versuchen, mit einer kombinierten Ausschreibung alle oben genannten Gruppen anzusprechen.

Am einfachsten könnten wir das erreichen, wenn wir die Palette möglicher Beiträge z. B. auf kommentierte Fotos, Poster, Videos oder dergleichen ausweiten würden. Junge Lerner können jedoch selten auf Erfahrungen mit oder gar in deutschsprachigen Ländern zurückgreifen. Ich möchte daher als Ergänzung zum vorigen Beitrag vorschlagen, junge JapanerInnen auf eine "Entdeckungsreise ins deutschsprachige Internet" zu schicken, denn dazu haben alle Zugang. Also: Aufsatzwettbewerb für die Fortgeschrittenen plus Gewinnspiel für Anfänger.

Zurückgreifend auf unser methodisch-didaktisches Wissen und Können sollten wir Fragen stellen: einfache Fragen, die durch einen Klick auf eine deutschsprachige Homepage auch von Anfängern beantwortet werden können, Fragen, die die Scheu vorm Surfen im deutschsprachigen Netz nehmen, und nicht zu vergessen: Fragen zu Internet-Präsentationen im Rahmen des Deutschlandjahrs, damit dieses Angebot landesweit bei der jungen Bevölkerung wahrgenommen wird.

Für einen Aufsatzwettbewerb bietet sich Projektarbeit an, damit am Ende vorzeigbare Resultate herauskommen, die auch außerhalb des Klassenraums Wirkung zeigen, z. B. in einer Ausstellung oder einer anderen Art der Präsentation. Das Gewinnspiel sollte man mit großzügiger Plakatwerbung bekannt machen und mit attraktiven Preisen (z. B. Fahrt zu einem WM-Spiel nach Deutschland ??) ausstatten. Mit dieser kombinierten Aktion können wir:

Das Thema "Deutschlandbild" hat nicht nur direkten Bezug zum Sprachenlernen, es ist auch andernorts aktuell. Im Gesamtkonzept der Botschaft zum Deutschlandjahr vom Dezember 2002 ist von einer beunruhigenden "Abkehr der jungen Generation in Japan von Deutschland" und einem "inzwischen teilweise sogar negative[n] Deutschlandbild" die Rede. Die Botschaft bezieht sich auf eine Studie zur "Japanese Awareness about Germany" (im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, vor allem Frankreich und Italien) der Werbeagentur Dentsu. Japaner assoziieren Deutschland vor allem mit Fleiß, Ruhe, guter Qualität, konservativem und praktischem Denken sowie Zuverlässigkeit. Zwar bekommt Deutschland Pluspunkte wegen seines hohen industriellen Entwicklungsstands, der guten Ausbildung der Arbeitskräfte, seiner Wirtschaftskraft, der Medizintechnik und seiner führenden Stellung im Umweltschutz, aber bei der jüngeren, vor allem weiblichen Bevölkerung sind Frankreich und Italien wesentlich bekannter und populärer.

Deshalb wollen sowohl Botschaft als auch Wirtschaft (vgl. Bericht des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft vom 4. Juli 2003) Aktionen für StudentInnen bzw. junge Menschen, vor allem Frauen unter 30 als kaufkräftiger und stark meinungsbildender gesellschaftlicher Gruppe, unterstützen. Es soll kein völlig neues Image von Deutschland aufgebaut werden, auch kein zugespitztes, sondern das Land soll als "innovativ, kreativ und beweglich" (vgl. Bericht des APA) dargestellt werden. Zudem "sollte der Kalender der DinJ-Aktivitäten auch Uberraschungsmomente enthalten, z. B. originelle Einbindung der Fußball-WM 2006". Ich denke, unser Projekt würde gut zu diesen Uberlegungen passen und es wäre vielleicht gar nicht so schwierig, Stifter für attraktive Preise zu finden.

Also, wer hat Lust, Zeit und Energie, um sich gemeinsam geeignete Fragen und Aufgaben auszudenken und eventuell auch an einer Homepage zu basteln? Bitte melden Sie sich / meldet Euch bei Till (s. o.) oder mir: [email protected]!

Anne Gellert

 

Vorschlag: Festival des deutschen Films

Auf dem letzten Lektorentreffen wurde unter anderem vorgeschlagen, im Deutschlandjahr (2005/06) ein Filmfestival zu organisieren, das ähnlich einer Wanderausstellung ein Jahr lang durch verschiedene Präfekturen Japans tourt.

Um dieses Festival zu organisieren, müsste man zunächst einen Ausschuss gründen, der folgende Aufgaben hätte: Erstens die Auswahl der Filme, die man in einer Woche ('Woche des deutschen Films') zeigen könnte. Des Weiteren müsste er bei den japanischen Filmverleihern anfragen, welche Filme wann, über welchen Zeitraum und für welches Geld zu haben sind. Drittens wäre die Suche nach Sponsoren eine zentrale Aufgabe und - last but not least - die Koordinierung der Aktivitäten auf lokaler Ebene.

Eine solche Filmwoche ist nur in enger Kooperation mit Filmtheatern (v. a. die Programmkinos), Kulturhäusern etc. vor Ort zu bewerkstelligen. Da diese in der Regel eine Jahresplanung haben, müsste der Deutschlektor, Dozent etc. der entsprechenden Region sozusagen als "Mann / Frau des Vertrauens" (da angestellt bei einer regionalen Institution) den Kontakt zu diesen aufnehmen und feststellen, ob eine grundsätzliche Bereitschaft für eine solche Filmwoche vorhanden ist und in welchem zeitlichen Rahmen diese stattfinden kann. Der Ausschuss müsste also Kontakt zu möglichst vielen Lehrkräften aufnehmen, die bereit wären, diese Aufgabe zu übernehmen. Man sollte sich dabei vielleicht nicht nur auf deutsche Lehrkräfte beschränken, sondern auch japanische Germanisten etc. ansprechen, da diese naturgemäß mehr Autorität besitzen und insofern eher mit den Kulturinstitutionen ins Gespräch kommen können.

Apropos Autorität, der Ausschuss an sich hat natürlich keine wie auch immer gearteten Befugnisse und müsste deshalb einer größeren Institution unterstellt sein, in deren Namen er vorstellig werden könnte. Zu denken wäre da zunächst an das Goethe-Institut, den DAAD, die deutsche Botschaft etc.

Die Finanzierung ist wie bei allen kulturellen Events von essentieller Bedeutung und deshalb wäre es sinnvoll, wenn in diesem Ausschuss einige Leute von Einfluss sitzen würden, die guten Kontakt zu den entsprechenden deutschen Institutionen haben. Aber das könnte natürlich ein frommer Wunsch bleiben. Auch hier müssten v.a. wohl die oben genannten Institutionen befragt werden.

Es wäre günstig, wenn sich der Ausschuss noch dieses Jahr konstituieren könnte, etwa zu Beginn des Wintersemesters. Bis dahin sollten weitere Ideen gesammelt werden und vor allem diejenigen, die bei diesem Projekt mitarbeiten wollen, miteinander in Kontakt treten. Der Ausschuss sollte 5-10 Leute umfassen und bis Dezember feststehen. Ausschussmitglieder sowie andere Interessierte sollten in eine noch zu erstellende Mailingliste aufgenommen werden, die als Ideen- und Informationsforum dient.

Mein Vorschlag wäre, dass alle Interessierten sich direkt bei mir ([email protected]) melden und mir mitteilen, in welcher Form sie mitarbeiten wollen. Auch der vorliegende Vorschlag steht natürlich zur Diskussion. Wer Verbesserungsvorschläge und / oder weitere Ideen hat, könnte diese zwecks Breitenwirkung auch im E-Forum äußern oder einen Leserbrief schreiben.

Matthias Pfeifer

 

 

Weitere Überlegungen zum Deutschland-Jahr

Das Deutschland-Jahr und die Weltausstellung in Aichi (Eröffnung auch im März 2005) überschneiden sich. Man muss aufpassen, dass das Deutschland-Jahr nicht im Trubel der Weltausstellung untergeht, sondern sollte versuchen, Synergieeffekte zu nutzen. Es ist vielleicht gut, wenn man sagen könnte, "ein Teil der Weltausstellung kommt zu Ihnen nach Kagoshima oder Akita". Ein Slogan, der im Zusammenhang mit der Weltausstellung in Nagoya präsentiert wurde, könnte so auch für das Deutschland-Jahr werben. Aber wahrscheinlich ist der Name "Weltausstellung" urheberrechtlich geschützt.

Beim Lektorentreffen kam schon die Idee zu einem deutschen auf, wie sie oben Matthias Pfeiffer ausführt. Wichtig wäre, eine geballte Ladung von deutschen Filmen mit japanischen Untertiteln zu präsentieren. Die Frage ist, ob es eine geballte Filmwoche sein sollte oder eher regelmäßige Aufführungen über die ganze Periode verteilt. Bei Letzterem ist die Wirkung vielleicht größer. Als Aufführungsort und Kooperationspartner könnten Universitäten dienen, für die die eigene Präsentation in der Offentlichkeit immer wichtiger wird.

Gut wären regionale Programmhefte des Deutschlandjahres. Da eine so langfristige Planung über ein Jahr für verschiedene Veranstalter schwierig ist, sollten solche Programme mehr als einmal erscheinen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, mehr Programmpunkte zu erfassen. Die Auftaktveranstaltung sollte der Region einen Höhepunkt bieten. Dies gälte aber auch für den Beginn eines neuen Programmheftes. Das Programm des Deutschland-Jahres muss mehrmals in das Bewusstsein der Offentlichkeit gebracht werden. Danach ist aber auch der lange Atem, das dichte, vielseitige Programm und die Berücksichtigung auch verschiedener Städte in den einzelnen Regionen wichtig.

Ein Vorschlag, der besonders den letzten Punkt konkretisiert, wäre eine Vortragsreihe in Zusammenarbeit mit den Japanisch-Deutschen Gesellschaften. Oft gibt es in einer Präfektur mehr als eine Gesellschaft, so dass sich mehrere Städte innerhalb einer Region beteiligen könnten. Natürlich könnte man auch die Kulturämter der Gemeinden einbinden. Für ein allgemeines Publikum gehaltene Vorträge kann man "recyceln", d. h. bei örtlich verschiedenen Veranstaltungen vortragen. So könnte man auch an vielen Veranstaltungsorten eine reguläre Präsenz aufrechterhalten. Für die Vortragenden ist das natürlich auch eine Arbeitsentlastung. Normalerweise ist für Japanisch-Deutsche Gesellschaften der Aufwand für mehr als eine Veranstaltung pro Monat zu groß, aber wenn das Goethe-Institut im Rahmen des "Deutschland-Jahres" das Management der Vortragenden übernimmt und sie "entsendet", entfällt für die Gesellschaften etwas von dem Aufwand. Durch Zusammenarbeit mit Kulturämtern oder Universitäten kann man vielleicht auch das Raum-Problem angehen.

Ein weiterer Vorschlag betrifft das Werben für Deutschland an den Schulen. Schulen in Japan haben jetzt etwas mehr Freiraum bekommen, was Mehrarbeit für die Lehrkräfte bedeutet. Wenn das Goethe-Institut mit schülergerechtem Anschauungs- und Begleitmaterial (Uberarbeitungen von deutschem Material) auf die Schulen zugehen würde, wären die Lehrkräfte für solche Vorschläge vielleicht dankbar. Wie in Deutschland die Schulen Filmmaterial von einer Landesanstalt ausgeliehen bekommen, so könnte das Goethe-Institut solche Materialien auf Anforderung zur Verfügung stellen. Ausgangspunkt für eine solche Kooperation könnte eine Wanderausstellung über Deutschland (Umwelt, Frieden, Europa, Romantik, Jugend) zum Deutschland-Jahr sein, die durch interessierte Schulen zieht. So könnte sich Deutschland im Bewusstsein der Schüler positionieren. Uber die Schulen kann man nicht nur die Schüler, sondern auch deren Familien erreichen. Schule ist so ein Multiplikationsfaktor, dessen Wirkung vielleicht nur von den Stars und den Progammen des Fernsehens übertroffen wird. Unabhängig vom Deutschland- Jahr sollten die Goethe-Institute nicht nur Anlaufstellen für versprengte Germanisten oder Philosophen sein, sondern auch Partner der Schulen in der Umgebung und "Spielplatz" für die dortigen Kinder und Jugendlichen. Aus diesem Gedanken heraus könnte man im Deutschland-Jahr Kinder- und Familienfeste, sowie Deutschland-Diskos veranstalten.

Wie schon gesagt brauchen wir ein vielfältiges und dichtes Programm, das in der unmittelbaren Nähe möglicher Besucher stattfindet. Dabei sollte man versuchen, auch die zu erreichen, die bisher noch keine Vorstellung von Deutschland hatten. Dafür müssen (Hemm-)Schwellen wie Entfernung, Kosten, Schwierigkeitsgrad oder fehlendes Vorwissen und mangelnde Informationen über die Veranstaltung möglichst weit abgebaut werden. Germanisten studieren auch ohne "Deutschland-Jahr" deutsche Literatur, Klassik-Fans fahren auch ohne "Deutschland-Jahr" zu den Berliner Philharmonikern!

Sven Holst: [email protected]

 

Buchbesprechung

 

Die Rückkehr des Körpers -
Eine neue Studie zum Verhältnis von Körper und Sprache in der Kommunikation

Mit ihrer Studie "Körper - Sprache. Elemente einer sprachwissenschaftlichen Explikation non-verbaler Kommunikation" hat sich Christine Kühn auf das durchaus nicht ungefährliche Niemandsland zwischen angestammten Territorien mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen begeben. Ein mutiges Unternehmen für eine Dissertationsschrift.

Ihr Gegenstand ist die Körpersprache, und sie wählt zu deren Betrachtung ein Instrumentarium, mit dem sie sich nicht ausschließlich an die Wahrnehmungsmuster einer einzelnen Disziplin bindet. Weshalb sie sich stattdessen für eine integrative Perspektive entscheidet, verdeutlicht sie an den Nachteilen, die beispielsweise die linguistische Sicht auf ihr Thema mit sich bringt. Durch deren enge Orientierung an verbalen oder schriftsprachlichen Strukturen und Organisationsprinzipien kommt Körpersprache letztlich nur die Aufgabe zu, Akzente zu setzen, zu betonen oder zu wiederholen. Eine eigenständige Rolle bleibt ihr jedoch versagt. Zu eben dieser Beschreibung gelangt jedoch Kühn, indem sie sich für die Interdependenz von Sprache und Körper im Rezeptionsprozess öffnet und sich dieser beschreibend nähert. Ihr Anliegen ist somit nicht nur, den Eigenwert der Körpersprache herauszustellen, sondern darüber hinaus zu einem gleichberechtigten Nebeneinander menschlicher Ausdrucksformen zu kommen.

Im ersten Teil ihrer Arbeit geht sie ausführlich auf die linguistische Diskussion um die Funktion und die Analyse der non-verbalen Kommunikation ein. Sie verfolgt die schwierige Suche nach geeigneten Definitionen des Gegenstands, stellt verschiedene Klassifikations- und Systematisierungsversuche vor und umreißt damit nicht zuletzt ihre eigene theoretische Position zwischen den Disziplinen im Wissenschaftsbetrieb.

Im zweiten Teil verweist die Autorin auf mögliche Wege aus den eingangs beschriebenen Schwierigkeiten hin zu einer integrativen Betrachtung von Körper und Sprache. Ausgewählte Problemstellungen aus Kommunikationswissenschaft, Kognitiver Linguistik und neurologischer Forschung befragt sie dazu auf potentielle Integrationsfähigkeit. Insbesondere führt sie in diesem Zusammenhang die Leserinnen und Leser in die Theorien und Methoden der Gebärdensprachforschung ein. Uber die Betrachtung des Körpers als Zeichen und Erkenntnismodell gelangt Kühn schließlich zu einer Beschreibung des Körpers als Medium. Dafür unterscheidet sie auf der Grundlage von Selbst- und Fremdwahrnehmung die primäre und die sekundäre Körperlichkeit. Mit ersterer wird der wahrnehmende Körper als Erkenntnissubjekt beschrieben. Die primäre Körperlichkeit fungiert insofern als Vermittlungsinstanz, als der innere Zustand des wahrnehmenden Körpers, emotionsgeladen oder "neutral", entscheidenden Einfluss auf weitere kognitive Operationen hat. Die sekundäre Körperlichkeit hingegen bezieht sich auf den wahrgenommenen Körper bzw. dessen abstrahierte körperliche Prinzipien (wie z. B. oben-unten, innen- außen etc.), die im Konzeptualisierungsprozess nicht nur sprachlich vermittelt (wie z. B. durch die Metaphern), sondern auch körperlich visualisiert werden können.

Im dritten Teil erläutert sie ihren integrativen Ansatz anhand einer Fallstudie. Auf der Grundlage eines Gesprächs in der Talkshow "Boulevard Bio" demonstriert sie drei grundlegende Struktur- und Organisationsformen der Rezeption von Körperlichkeit. Das erste Prinzip betrifft die temporale Koordination von Körper und Sprache (z. B. das Vorauseilen der Gesten gegenüber der Sprache), das zweite die Choreographie der verschiedenen Bewegungsformen des Körpers (die Erstellung von Bewegungsprofilen mit den Parametern Bewegungsgeschwindigkeit, -intensität und -richtung) und das dritte Prinzip die Organisation der Körperhaltung und Bewegung im Raum (z. B. die Unterscheidung zwischen persönlichem und interaktionalem Raum). Auf dieser Grundlage beschreibt sie schließlich fünf Dimensionen des körperlichen Ausdrucks (mimische, gestische, haptische sowie die Dimensionen des Blicks und der Körperhaltung), die sie an zahlreichen Beispielen in schriftlicher, graphischer und bildlicher Form belegt.

Den vierten Teil ihrer Studie widmet Kühn der Interdependenz von Körper und Sprache im Rezeptionsprozess. Sie demonstriert, dass durch den wahrgenommenen Körper und seine Bewegungen Konzeptualisierungsprozesse sowohl verbal vermittelt als auch körperlich visualisiert werden. Beispielsweise kann sie Erkenntnisse aus der Gebärdensprachforschung stützen, indem sie aufzeigt, dass negativ konnotierte Außerungen häufig von Abwärtsbewegungen begleitet werden und Gestik so als eine Art Wahrnehmungsmuster im Verstehensprozess funktioniert. Sie kann auch zeigen, dass es für konventionalisierte Gesten keine 1:1-Ubersetzung gibt, da deren Bedeutung immer kontextspezifisch durch das Zusammenspiel der verschiedenen Interpretationsvariablen konstituiert wird.

Gesten können vor dem Hintergrund ihrer Ergebnisse nicht mehr als synchrone Spiegelungen verbaler Ausdrücke oder zitierende Wiederholungen definiert werden. Sie bringen das Gemeinte vielmehr auf eigene Art und Weise zu einem Ausdruck, sind dabei zuweilen genauer als Verbales und bereichern eine Aussage. Dass Kühn "gestische Versprecher" beschreiben kann, verdeutlicht diese eigenständige Funktion im Kommunikationsprozess.

Kühn mahnt daher zur Vorsicht vor der wörterbuchartigen Abhandlung einzelner Gesten (wie man sie auch in einigen DaF-Lehrwerken findet) und verweist statt dessen auf deren enges Zusammenspiel mit den anderen Dimensionen des körperlichen Ausdrucks wie Mimik, Körperhaltung oder Berührung. Ihre Studie ist ein überzeugendes Plädoyer für eine Rückkehr des Körpers in den ent-körperlichten Kommunikationsprozess. Damit öffnet sie nicht zuletzt uns DaF-Lehrenden eine interessante Perspektive zur Erforschung unseres Arbeitsfeldes. Denn auch der Fremdsprachenunterricht wurde viel zu lange auf seine sprachlichen Aspekte verkürzt, ent-körperlicht, ent-individualisiert und gerade nicht als eine soziale Begegnungssituation betrachtet. Kühn verweist mit ihrer Arbeit auf einen alternativen Zugriff und liefert zugleich die theoretische und methodische Grundausstattung.

Michael Schart

Christine Kühn: Körper - Sprache. Elemente einer sprachwissenschaftlichen Explikation non-verbaler Kommunikation. Frankfurt/M.: Lang, 2002.

 

 

 

Kurz Informiert

Als "offenes Forum für die deutsche Sprache" versteht sich der Deutsche Sprachrat, der im Mai diesen Jahres von der GfdS (Gesellschaft für deutsche Sprache), dem Goethe-Institut Inter Nationes und dem IDS (Institut für Deutsche Sprache) gegründet wurde. Die drei Institutionen möchten laut Pressemitteilung auf diese Weise ihre Kompetenzen bündeln mit dem Ziel der "Förderung der Sprachkultur im Inland und der Festigung der deutschen Sprache im Ausland". Neben der Abstimmung von Aktivitäten wird die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen als besondere Aufgabe gesehen. Den ersten Vorsitz übernahm Prof. Dr. Jutta Limbach. Informationen unter www.deutscher-sprachrat.de.

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Nicht im Trend liegt das Goethe-Institut Tokyo. Während an vielen japanischen Universitäten über sinkende Deutschlernerzahlen geklagt wird, meldet die GI-Sprachabteilung aus Akasaka: "Die Zahl der Kursteilnehmer nimmt zu, das Interesse an Deutsch und Deutschland ist riesengroß!" In diesem Semester sind dort über 1500 KursteilnehmerInnen eingeschrieben, und einschließlich der Intensivkurse verzeichnet man jährlich circa 4500 Einschreibungen. Die Einnahmen aus Kurs- und Prüfungsgebühren decken rein rechnerisch alle Personalkosten - von den Entsandten über die 50 Lehrkräfte bis zum Dienstpersonal. Gründe für den unerwarteten Zulauf sind nicht bekannt.

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Ihren 130. Geburtstag feiert dieses Jahr die OAG (Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens). Von deutschen Kaufleuten, Wissenschaftlern und Diplomaten gegründet, um "Japan und die anderen Länder Ostasiens zu erforschen und Kenntnisse darüber auf Deutsch zu verbreiten", ist der Verein bis heute unabhängig und bietet seinen Mitgliedern in Tokyo ein breites Spektrum von Veranstaltungen - Vorträge, Ausstellungen, Exkursionen, Seminare, Konzerte - sowie den kostenlosen Bezug der Reihe "OAG Taschenbuch" und der monatlichen Zeitschrift "OAG Notizen". Darüber hinaus kann die Bibliothek mit über 5000 Büchern und Zeitschriften benutzt werden. Informationen im OAG-Büro, Tel. 03-3582-7743, oder über www.oag.jp Seit 1954 existiert auch eine Zweiggruppe in Kansai, die ebenfalls ein Programm anbietet und darüber hinaus über ein sehr attraktives Studienhaus verfügt, in dem deutschsprachige AkademikerInnen und KünstlerInnen für Japanaufenthalte von einem bis sechs Monaten günstige Unterkunft finden. Informationen im OAG-Zentrum Kobe, Tel. 078-436-2113.

M.D.-T.

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http://de.geocities.com/djetjp ist die Internet- Adresse der deutschsprachigen JETs (Teilnehmer Innen am Japan Exchange and Teaching Program) in Japan. Die Homepage ist sehr übersichtlich. Neben einer anklickbaren Karte mit den Namen und Adressen aller 47 deutschsprachigen JETs findet man auch zahlreiche andere nützliche Informationen zu Leben und Arbeiten in Japan, Kultur, Links zu online- Wörterbüchern, dem deutschen Weinfonds in Tokyo usw.

A.G.

 

Termine 2003

August

1.8. - 16.10. Anmeldung zur TestDaF-Prufung an der Uni Saga, Informationen bei Prof. Dr. Guido Oebel: [email protected]
18.8.  Workshop zum autonomen Lernen mit Dr. Peter Bimmel, Tohoku-Universität (Kawauchi-Campus), Sendai (ausfuhrliche Informationen siehe Ankundigung)
26. - 29.8.  31. Linguistenseminar der JGG in Kyoto. - Thema: Grammatikalisierungen im Deutschen - typologisch gesehen. - Gastdozent: Prof. Dr. Bernd Heine, Universitat Koln
28.8. - 1.9. InterUni-Seminar Kyushu des GI Osaka in Zusammenarbeit mit dem Germanistenverband Westjapan, Informationen uber Frau Takako Yoshimitsu ([email protected])

September

22. - 25.9. DFG-Symposion Universitat Greifswald: "Grenzen der Germanistik. Rephilologisierung oder Erweiterung?" - Informationen: www.uni-greifswald.de/~dt_phil/
30.9. Bewerbungsschluss fur DAAD-Jahresstipendien


Oktober

1.10. Beginn des Vorschlagszeitraums fur DAAD-Sommerkurzstipendien
17.10. Projektunterricht an der Tohoku-Universität, Sendai. Ausführliche Infomationen siehe Ankündigung
17.10.  Herbst-Lektorentreffen an der Tohoku-Universität, Sendai (am fruhen Abend)
18. - 19. 10.  Herbsttagung der JGG an der Tohoku-Universität, Sendai
25. / 26. 10.  Kolloquium "Figuration / Defiguration. Kultur und Kulturwissenschaft als Prozess" Gäste: Prof. Dr. Inge Baxmann, Prof. Dr. Gabriele Brandstetter, Prof. Dr. Gerhard Neumann Informationen über Frau Prof. Atsuko Ohnuki ([email protected]) oder Prof. Dr. Thomas Pekar ([email protected])

November

7. - 9. 11. DAAD-Fachtage im Herbst
12.11.  Prüfung TestDaF an der Uni Saga (Kontakt s. o.)
14. - 16. 11.  XII. Seminar zur österrreichischen Gegenwartsliteratur in Nozawa. - Gäste: Sabine Scholl, Margit Schreiner. - Informationen: www.info.sophia.ac.jp/g-areas/Seminar2003.windows.html
21. - 23. 11. JALT-Konferenz 2003 in Shizuoka: Keeping Current in Language Education. Informationen: http://jalt.org/jalt2003/main/public/
28. 11.  Ende des Vorschlagszeitraums für DAAD-Sommerkurzstipendien

Dezember

5. - 7. 12. Symposion der Städtischen Universität Nagoya: "Bevorzugt beobachtet". Zum Japanbild in der Literatur. - Informationen über Prof. Masahiko Tsuchiya ([email protected])

 

März 2004

14. - 20. 3. 46. Literatur-Symposion der JGG in Tateshina, Thema: Pop! Gastdozent: Prof. Dr. Wolfgang Braungart, Universität Bielefeld
20. - 24. 3.  9. DaF-Seminar der JGG in Kobe, Thema: Regionale Lehrmaterialentwicklung Gastdozent: Prof. Dr. Hermann Funk, Universität Jena

 

 

Die Redaktion

Für den Lektorenrundbrief verantwortlich sind:
Anne Gellert (A.G.), Mechthild Duppel-Takayama (M.D.-T.), Ralph Degen (R.D.), Stefan Hug (S.H.),
Maria Gabriela Schmidt (M.G.S.) und Till Weber (T.W.)


Übrigens: Der Lektorenrundbrief ist über das DAAD-Büro in Tokyo zu bekommen.
DAAD-Außenstelle Tokyo
Akasaka 7 - 5 - 56, Minato-ku, Tokyo 107-0052
Tel: (03) 3582 - 5962
Fax: (03) 3582 - 5554
Email: [email protected]